In der alternativen Medizin haben Heilkräuter seit jeher einen hohen Stellenwert. Nun halten die seltenen Pflanzen mit den eigenwilligen Aromen auch Einzug in die Küche. Wohl dosiert und gezielt eingesetzt, verfeinern sie so manches Gericht. Wo erhält man Heilpflanzen fürs Kochen, und was ist bei ihrer Verwendung zu beachten? Ein Spitzenkoch und ein Naturheilmediziner geben praktische Tipps.
_Gesundheit a la carte_ Im oberbayerischen Aschau sind die wilden Kräfte der Natur Bestandteil der Spitzenküche. In der "Residenz Heinz Winkler" gelangen die Köstlichkeiten von Wald und Wiese zu hohem Ruhm: Drei-Sterne-Koch Heinz Winkler schätzt die Heilpflanzen als Bestandteil seiner erlesenen Rezepte. Er kennt sie seit seiner Kindheit auf einem Bauernhof in Südtirol. Die Düfte und Aromen sind für ihn eine Inspiration. Er kocht nicht nur mit gängigen Küchenkräutern wie Rosmarin, Basilikum oder Melisse. Auch Brennnessel, Sauerampfer, Kapuzinerkresse oder Eisenkraut haben in seinem kulinarischen Repertoire einen festen Platz.
Mit alten Weisheiten und Erfahrungen hat Winkler seine Philosophie von der leichten Küche entwickelt: "Die Elemente sind, dass man mit den ganzen Kräutern, die wir haben und die ich hier verwende, dass die alle eine Heilwirkung haben, dass wir damit den Organismus stimulieren, und das ist total wichtig, das ist der Hauptgedanke, dass wir für alles ein Kraut haben, es ist für alles ein Kraut gewachsen, man muss es nur richtig einsetzen." _Neue Aromen, neue Rezepte_ Heinz Winkler lässt sich von den aussergewöhnlichen Düften der Kräuter, die die Jahreszeit gerade hervorbringt, inspirieren.
Intuitiv kombiniert er die Aromen und entwickelt neue Rezepte: Edelfische in Basilikumsauce, Sorbet von weissem Lavendel, Wildlachs mit Sauerampfer, Basilikumblätter zum Schokoladendessert. "Das spezielle Aroma eines Heilkrautes muss immer einen adäquaten Gegenpol bekommen, damit die Balance erhalten bleibt", erklärt Winkler. Beim Umgang mit den Heilkräutern legt er viel Wert darauf, dass die Aromen nicht miteinander vermischt werden, sondern eigenständig in einem Gericht bestehen bleiben und richtig zur Geltung kommen.
_Kuechentipps_ Kräuter mit harten Blättern oder Nadeln, die reich an ätherischem Öl sind, wie Rosmarin und Thymian, kann man schon beim Kochen, Braten und Schmoren hinzufügen. Kräuter mit frischem Grün und empfindlichen Blättern sollten besser nicht lange erhitzt werden, sondern erst kurz vor dem Servieren zum Gericht gegeben werden. Ähnliches gilt für Knoblauch: Fein geschnittene Knoblauchscheiben, die kurz vor dem Servieren durch die Sauce oder das Gericht gezogen werden, verleihen einen eleganten Hauch, ohne penetrant zu wirken.
Grossblättrige Küchenkräuter, wie Brennnessel oder Löwenzahn, die wie Gemüse verarbeitet werden, sollten nach dem Blanchieren kurz in Eiswasser getaucht werden, damit sie ihre grüne Farbe behalten.
Alle Kräuter sollten mit einem sehr scharfen Messer ohne Druck geschnitten werden, damit die Flüssigkeit nicht aus den Zellen tritt und die Aromen erhalten bleiben.
_Tipps zum Sammeln_ Wer Kräuter auf der Wiese selbst sammeln möchte, sollte sich - wie beim Pilzesammeln - einige Sachkenntnisse aneignen. Die Biologin und Kräuterexpertin Christiane Mayr gibt dazu folgende Tipps: * Erstens sollte man sich sicher im Bestimmen der Pflanzen sein. Am besten benutzt man ein Bestimmungsbuch oder fragt, wenn möglich, Fachleute, damit man keine giftigen Pflanzen erwischt.
* Zweitens sollte man Pflanzen nur auf solchen Wiesen pflücken, die nicht mit Kunstdünger oder Gülle behandelt werden. Auch der Strassenrand ist tabu. Die Heilpflanzen müssen gesund, unbelastet und vital sein, damit auch der Geniesser etwas von dieser Vitalität hat.
* Drittens ist es zum Schutz der Bestände sehr wichtig, dass man nur so viele Pflanzen nimmt, wie man unmittelbar benötigt. Am besten sieht man der Pflückstelle hinterher gar nicht an, dass hier etwas entnommen wurde.
* Viertens sollte man keine geschützten Pflanzen nehmen und auf das Pflücken von Heilpflanzen in Naturschutzgebieten ganz verzichten.
Es gibt viele Arten, die nicht gefährdet sind und überall häufig vorkommen.
_Einkaufstipps_ Frische Küchenkräuter wie Basilikum, Salbei, Kerbel, Zitronenmelisse oder Pfefferminzblätter gehören in vielen guten Gemüsegeschäften zum regelmässigen Angebot. Auch auf Wochenmärkten gibt es je nach Saison ein grosses Sortiment an ausgefalleneren Heilpflanzen und Küchenkräutern. Heinz Winkler empfiehlt für den Einkauf: "Scheuen Sie sich nicht, an Kräutern und Gemüse zu schnuppern. Kenner kaufen nicht auf blosse Optik hin.
Dem Händler, der das nicht versteht, dürfen Sie getrost den Rücken kehren. Entwickeln Sie ein Gespür für die Jahreszeit und ihre Produkte. Lassen Sie sich umgarnen von Farben, Düften und der Textur des Angebots." Alternativ kann man natürlich einen eigenen Küchengarten mit Kräutern anlegen. Das funktioniert auch im kleinen Stil auf der Fensterbank.
_Philosophie der "Cuisine Vitale"_ Mit seiner leichten Küche, einfach und raffiniert zugleich, zählt der Drei-Sterne-Koch Heinz Winkler heute zur Weltspitze. Seit mehr als 15 Jahren sind mehr oder weniger bekannte Heilpflanzen Bestandteil seiner Küche. Er nennt sie "Cuisine Vitale". Heinz Winkler: "Der Sinn der Vitalküche ist, dass sie den gesamten Organismus motiviert und den Körper mit Energie erfüllt. Alle Heilkräuter, mit denen ich arbeite, haben auch eine Heilwirkung, die den Organismus stimuliert und fit hält!" Winklers Gäste sollen nicht satt und träge werden, so dass sie zu nichts mehr Lust haben, sondern agil und unternehmungslustig das Lokal verlassen. Auch nach fünf Gängen.
_Heilpflanzen in der Medizin_ Was den einen zu kulinarischen Meisterleistungen anspornt, ist für den anderen Mittel zur Heilkunst. In den vergangenen Jahrzehnten ist das Kräuterwissen unserer Vorfahren erforscht worden. Heilpflanzen sind eine Grundlage der Naturheilkunde. In der Reithofpark-Klinik in Bad Feilnbach beispielsweise setzt Dr. Robert Bachmann die Kräfte der Natur zur Therapie ein, unter anderem bei Magen- und Darmbeschwerden. Mit äusseren und inneren heilpflanzlichen Anwendungen kuriert er sanft Reizmagen und nervoese Darmstörungen.
Dr. Robert Bachmann: "Die Heilpflanzen oder auch Küchenpflanzen haben eine wichtige arzneiliche Wirkung. Die kommt meistens nicht so zum Tragen, wie wenn wir sie in Form von Tees geben, aber sie haben natürlich Aromastoffe, sie regen den Säftefluss an, das heisst, sie fördern die Beweglichkeit oder auch die Verdauungsfunktion des Darmes über eine entspannte, genussreiche Nahrungsaufnahme." In der Klinik lernen die Patienten, wie sie beruhigende Melisse, verdauungsförderndes Basilikum oder entwässernden Kerbel in ihre Alltagskost integrieren können. Schliesslich hat eine Kost mit Heilpflanzen auch eine vorbeugende Wirkung, so dass es zu Magen-Darm-Beschwerden, die ihre Ursache oft in einer falschen Ernährung haben, erst gar nicht kommen muss.
_Links_ * Kräuterwanderung im Hunsrück Servicezeit: Kostprobe vom 9.
* Kräuterparadies im Siegerland Servicezeit: Kostprobe vom 15. Juli
_Buchtipp_ * Heinz Winkler, Robert M. Bachmann, Birgit Kofler-Bettschart Heinz Winklers Heilpflanzen für Geniesser Highlights
Euro Dieses Buch gibt einen ausführlichen Überblick über 35 gängige Heilpflanzen. Sie sind von Artischocke bis Zucchini alphabetisch angeordnet. Was man daraus in der Küche alles zubereiten kann, erfährt der Leser in einer Reihe von Rezepten aus der Drei-Sterne-Küche von Heinz Winkler.
Rezept: Brennnessel-Gnocchi
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