Kaum etwas schreckt Verbraucher beim Wein so sehr ab, wie zu viel Säure. "Der ist sauer", das ist ein vernichtendes Urteil. Viele Käufer sagen das nicht nur einfach so dahin, sondern sie haben schlicht Probleme mit dem Magen, wenn sie Weine mit zu hoher Säure trinken. Aber mit zu geringer Säure sind -gerade Weissweine- langweilig und fade. Und: Weine mit ganz wenig Säure verderben leichter und lagern sich insgesamt nicht so gut. Es ist also Sache des Weinmachers, die richtige Dosis zu finden. Die Trauben bringen zwar je nach Reife mehr oder weniger Säure mit, aber da kann man noch eine Menge machen, bevor der Wein fertig in der Flasche ist.
Der Säuregehalt wird übrigens meistens in Promille angegeben, viele Winzer führen ihn, wenn nicht auf dem Etikett, so doch auf den Preislisten und Info-Blättern an.
_Wieviel ist genug?_ Bis vor 10 Jahren galt es als normal, dass Rieslinge mehr als 10 Promille Säure hatten. Deutsche Weine sind so, war das Standardargument. Doch auch das ist eine Modefrage: Heute sind etwa 8 Promille in vielen Fällen die Grenze dessen, was Verbraucher als fruchtig hinnehmen, ohne es als sauer zu empfinden. Wobei das Verhältnis von Alkohol und Säure und der "Fülle" des Weins und der Säure eine grosse Rolle spielen. Weniger übrigens das Verhältnis von Süsse und Säure, wie viele Winzer offenbar glauben. Im Mund lassen sich Verbraucher vielleicht noch vom Zucker über die Säure hinwegtaeuschen, aber der Magen kann gut unterscheiden, ob da ein verdeckter Sauerampfer kommt oder ein ordentlicher Wein.
_Ziemlich viele saure Sachen_ Im Wein kommen sehr viele verschiedene Säuren vor.
Hauptbestandteile sind die Äpfel- und die Weinsäure. Während der Gärung entsteht Kohlensäure, beim sogenannten biologischen Säureabbau Milchsäure. Ausserdem kann Wein- vor allem dann, wenn er von Edelfäule befallen war - Essigsäure enthalten. Und schliesslich setzen die Winzer schweflige Säure zu, um ihn haltbar zu machen.
Die meisten Früchte werden von Zitronensäure bestimmt - nicht so die Traube. Sie enthält eben vor allem Wein- und Äpfelsäure. Zwar haben unreife Trauben mehr Äpfel- als Weinsäure, aber Wissenschaftler sagen heute: beide schmecken eigentlich gleich sauer.
_Die Säure managen_ Der beste Weg ist schlicht zu warten, bis die Natur die Säure in der Traube abbaut. Je reifer die Früchte, desto weniger sauer sind sie. Reben brauchen etwa 90 Tage, um ihre Trauben ausreifen zu lassen. Auch wenn sie vorher schon - wie in diesem Jahr - sehr süss sind, sind sie doch in vielerlei Hinsicht noch nicht reif. Wenn in unguenstigen Jahren Trauben mit hoher Säure geerntet werden müssen, dann hat man früher einfach Wasser und Zucker gemischt und dazugegeben. Diese sogenannte "Nassverbesserung" war bis in die 80er Jahre erlaubt. Das Wasser hat zwar die Säuren verdünnt, aber auch den Geschmack. Heute noch zugelassen sind Entsäuerungsverfahren, die aber meistens nur zweitbeste Lösungen sind, weil sie eben auch den Geschmack verändern. Mehr und mehr orientieren sich die Winzer an einem natürlichen Prozess: dabei zerlegen Milchsäurebakterien die Äpfelsäure in Milchsäure. Die schmeckt deutlich weniger sauer. Dieser biologische Säureabbau ist bei Rotwein heute das Verfahren der Wahl und auch beim Weissen arbeiten mehr und mehr Winzer damit. Oft wird ein Teil des Weins mit und ein anderer ohne Säureabbau miteinander gemischt, um ein günstiges Verhältnis zwischen Bekömmlichkeit und Frische zu garantieren. Nur die Schweizer Winzer entsäuern traditionell alle Weissweine komplett mit diesem Verfahren.
_Das gewisse Prickeln_ Vom Sekt her kennen wir alle auch die Wirkung von etwas höherer Kohlensäure auf das Geschmacksbild. Auch wenn das nur unzulaenglich erforscht ist, wissen doch Viele: das Kribbeln auf der Zunge lässt saure Weine etwas weniger sauer schmecken.
Ein Sonderfall ist die Essigsäure. Sie entsteht, wenn überreife, faule Trauben von Essigbakterien befallen werden. In geringem Mass wird das bei sehr kräftigen Rotweinen oder edelsüssen Weissweinen vom Gesetz toleriert und auch vom Verbraucher kaum wahrgenommen.
Aber da gibt es klare Grenzen, denn Wein und Essig sollen zwei verschiedene Dinge bleiben.
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